Der lange Weg der Bibliothek nach Herrsching
Der Landwirtschaftliche Verein als Förderer der Landwirtschaft
Den Grundstock zur heutigen Agrarhistorischen Bibliothek legte der Landwirtschaftliche Verein in Bayern. 1810 als eine der ersten Interessenvertretungen der bayerischen Landwirtschaft gegründet, war er jahrelang beratendes Organ der bayerischen Regierungen. Er hatte sich „die Beförderung der praktischen Landwirtschaft und der damit in näherer Verbindung stehenden Gewerbe“ auf die Fahne geschrieben. Dazu engagierte sich der Verein in der landwirtschaftlichen Ausbildung und richtete Feste mit Preisverleihungen wie das Zentrale Landwirtschaftsfest aus. Er hatte am 14. Oktober 1811 das erste zentrale landwirtschaftliche Fest zu Ehren der Hochzeit des Kronprinzenpaares von 1810 als „Nationalfest“ veranstaltet und ihm 1812 den Namen „Central-Landwirthschaftsfest“ gegeben. Daraus entwickelte sich im Lauf der Jahrzehnte neben dem Zentral-Landwirtschaftsfest das berühmte Münchner Oktoberfest. Durch die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Innovationen legte er den Grundstock für die moderne Landwirtschaft in Bayern. Auch das noch heute herausgegebene Landwirtschaftliche Wochenblatt geht auf den Landwirtschaftlichen Verein zurück. Um die landwirtschaftliche Bevölkerung umfassend zu informieren, rief man außerdem mehrere Ortsbibliotheken ins Leben.
Neben Gutsbesitzern, Wissenschaftlern, Lehrern und Pfarrern bildeten Beamte durchwegs die Hauptgruppe der Mitglieder. Bauern nutzten zwar die reichen Informations- und Fortbildungsangebote, aber sie wurden nur selten Mitglied. So reichte die Blütezeit bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts ehe andere Organisationen wie die Christlichen Bauernvereine den Landwirtschaftlichen Verein ablösten. Dennoch bestand der weiter bis zur Gleichschaltung aller Vereinigungen und dem Übergang in den Reichsnährstand.
Der Bayerische Bauernverband und seine Bücher
Nach dem 2. Weltkrieg übernahm der 1945 gegründete Bayerische Bauernverband die Bibliothek des ehemaligen Generalkomitees als Rechtsnachfolger des Landwirtschaftlichen Vereins. In einem Keller nahezu in Vergessenheit geraten, war sie glücklicher Weise nicht zerschlagen worden. 1982 wurde sie in Herrsching zu neuem Leben erweckt.
Aufgestellt im Dachgeschoss der Bildungsstätte des Bayerischen Bauernverbandes fand sie eine Heimat. Der Bayerische Bauernverband unterschied sich wesentlich vom Landwirtschaftlichen Verein, waren doch sowohl Gründungsmitglieder als auch der spätere Mitgliederstamm aktive Bauern, nicht Adelige und Akademiker. Bis heute versteht sich der Bauernverband als Einheitsorganisation der bayerischen Land- und Forstwirtschaft und als Vertreter der aktiven Landwirte, Forstwirte und Grundeigentümer sowie der Interessen des ländlichen Raumes insgesamt. Der Grundgedanke, die Landwirtschaft zu fördern und die Erkenntnis, dass Information sowie Aus- und Weiterbildung dazu unerlässlich sind, verbinden beide Organisationen.
Seit 2005 ergänzt die Tillmann Bibliothek, eine Leihgabe des Deutschen Bauernverbands mit mehr als 2500 Bänden den Bestand sowohl zeitlich als auch thematisch optimal. Laufend wird die Agrarhistorische Bibliothek auch aus Nachlässen, Spenden, sowie gezielt über Auktionen erweitert.
Die Erschließung der Bibliothek
Zunächst nur über einen Mikrofiche- bzw. Karteikartenkatalog erschlossen, wurden die Exemplare mittlerweile in Zusammenarbeit mit der Staatsbibliothek München im B3Kat, dem zweitgrößten Verbundkatalog Deutschlands mit mehr als 26 Millionen bibliographischen Datensätzen, erfasst und somit Wissenschaftlern und Interessierten weltweit zugänglich gemacht.
In regelmäßigen Abständen finden im Haus der bayerischen Landwirtschaft Herrsching sog. Agrarhistorische Foyergespräche statt. Ihr Ziel ist es, den Bücherschatz einer breiten Öffentlichkeit zugängig zu machen und Interesse für die Vergangenheit zu wecken. Die Themen sind breit gefächert und greifen aktuelle Anlässe, Jahrestage und Jubiläen auf. So fanden u. a. Veranstaltungen zu Persönlichkeiten wie dem Bauerndoktor Georg Heim, Max Eyth oder Martin Luther statt, aber auch das Reinheitsgebot oder das 125. Jubiläum des Zentralen Landwirtschaftsfestes wurden in diesem Rahmen schon gewürdigt.